Am 12.02.2025 sind wir mit unserer Jahrgangsstufe 12 nach Esterwegen gefahren. Vor Ort wurden wir in zwei große Gruppen von je ungefähr von 30 Leuten eingeteilt. Die Gruppen hatten einen unterschiedlichen Zeitplan und für den Religionskurs von Frau Boywitz stand noch ein Klosterbesuch auf dem Plan. Unsere Gruppe begab sich zunächst in einen Raum, wo uns eine 90-minütige Präsentation über die Entstehung der 15 von 21 geplanten Emslandlagern gehalten wurde. Dabei wurden wir zunächst in die allgemeine Geschichte des Nationalsozialismus, wie beispielsweise dem Reichstagsbrand und der daraus resultierenden Reichstagsbrandverordnung eingeführt. Besonders interessant war die Unterscheidung von Strafgefangenen und Schutzhäftlingen. Während ein Strafgefangener nach einem offiziellen Urteil für bestimmte Zeit in Haft geschickt wurde, erwartete einen Schutzhäftling eine Haft auf unbestimmte Zeit aus ungewissem Grund unter unmenschlichen Umständen.
Danach ging es dann zentral um die Emslandlager. Es wurden wichtige Personen benannt und erzählt, dass die Bundeswehr das Gelände von Esterwegen übernommen, alle Gebäude abgerissen und „Gras darüber wachsen lassen“ habe. Zwei Aspekte, die uns alle schockiert haben, sind zum einen die skurrile Lebensweise der SS-Funktionäre, welche morgens Menschen töteten und abends mit ihren Kindern spielten, und andererseits die öffentlichen Anlagen für Besucher wie ein Schwimmbecken mit Sprungturm und einem Fußballplatz. Dadurch befand sich Spaß und Freude sowie Leid an einem Ort, was eine sehr perfide Vorstellung ist. Zum Schluss beschäftigten wir uns mit dem Lied „Die Moorsoldaten“, das symbolisch für die Widerstandsbewegung der Inhaftierten steht und für die SS-Aufseher eher nach gesteigerter Arbeitsmoral aussah.
Auf den Vortrag folgte nach kurzer Pause ein Besuch der Ausstellung. Dort wurde die Entstehung des Lagers Esterwegen und die generelle Geschichte des Holocaust in chronologischer Reihenfolge in Form eines Rundgangs dargestellt. Wir konnten uns 30 Minuten frei durch die Ausstellung bewegen und noch andere Teile wie die zu den Zeugen Jehovas oder eine 3D-Modellierung des Lagers Esterwegen entdecken. Insgesamt besaß die Ausstellung zahlreiche Personenbezüge und viele Relikte aus der Zeit – von Wäschesäcken bis selbstgefertigten Schuhen. Den meisten Eindruck hinterließ eine Wand voll mit Portraits ehemaliger Inhaftierter mit Informationen über den Beruf und den Namen. So wurde das Ausmaß der vielen gestorbenen Personen noch deutlicher.
Nach einer weiteren kurzen Pause stand dann der nächste Programmpunkt, die Rundführung, an. Bei dieser konnten wir leider aufgrund des Schneefalls nicht besonders viel erkennen, dennoch war sie sehr informativ. Der Beginn war bei dem Eingangstor, durch das die Gefangenen und auch die SS-Aufseher sowie die Besucher auf die Lagerstraße gelangen konnten. Entlang der Lagerstraße ging es zunächst zur Treppe des Besuchergartens und anschließend zum späteren Eingangstor für den erweiterten Häftlingsbereich. Die letzte Station bildete der Umriss des einzigen nachgepflanzten „Funktionsgebäudes“, der Küche. Hier wurde uns ein kleiner Vortrag über einen bekannten Häftling namens Carl von Ossietzky gehalten, welcher wie viele andere auch als politischer Häftling inhaftiert war und nach seiner Befreiung den Friedensnobelpreis bekam.
Die ehemaligen Gebäude sind alle anhand von Bäumen „nachgebaut“ und die Mauern mithilfe von Stahlwänden angedeutet. Auch die Wachtürme, welche damals mit den Scheinwerfern und den doppelten Zäunen der nächtlichen Überwachung dienten, sind mit Stahlwänden nachgeahmt. Zur Zeitüberbrückung bis zu unserem Klosterbesuch haben wir einen erschreckenden Film über den Umgang der Menschen mit dem Geschehenen nach der Zeit des Holocaust geschaut. Die ältere Generation hat auf Unwissenheit plädiert und wollte alles totschweigen, während die jüngeren Menschen es wohl wussten, aber nicht darüber gesprochen haben. Die Menschen wollten mit dem Geschehen einfach nicht in Verbindung gebracht werden. Dennoch wird der Umgang auf diese Weise in dem Film klar kritisiert.
Den letzten Teil unseres Ausflugs bildete der Klosterbesuch. Dort wurden wir durch drei Räume geführt. Der erste davon war ein schlichter, grauer und kahler Raum mit drei Betonsteinen und dem Text aus dem Lied „Die Moorsoldaten“ an der Wand. Der Einstieg war passend zu unseren bereits erarbeiteten Themen wie Erna de Vries oder „Gott in Bezug auf Leid“. Zudem haben wir den Raum gedeutet und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Betonsteine auch für Grabsteine stehen könnten und der Liedtext dem Raum eine gewisse Emotionalität verleiht. Darauf folgte der Raum der Sprachlosigkeit. Dieser war in dunklen Tönen gehalten mit Gittern an allen Seiten, sodass das Rausschauen nahezu unmöglich ist, aber ein wenig Licht hereinkommt. Dazu gab es Sitzbänke und in der Mitte des Raumes eine Art Wagen auf Rädern, alles aus Holz, an einem Drehkreuz stehend.
Wir haben daraufhin das Lied der Moorsoldaten gesungen und dann darüber geredet, wie dieser Raum auf uns wirkt. Die zentralen Gedanken waren, dass der Wagen für die harte körperliche Arbeit und das Leid steht und das Drehkreuz die aussichtslose Situation und gleichzeitig die Hoffnung symbolisieren. Bei uns allen ist die von dem Theologen erzählte Geschichte von Elie Wiesel hängen geblieben. Er musste einem kleinen Jungen zuschauen, wie er sich nach dem Strangulieren noch eine halbe Stunde quälte, weil er zu leicht war. Ein Mann hinter ihm fragte: „Wo ist Gott jetzt?“. Für Wiesel war klar, wo Gott in diesem Moment war. Er litt ebenfalls in dem Jungen, unfähig ihm zu helfen. Daraus konnten wir den Schluss ziehen, dass jeder anders mit Traumata umgeht. Denn Erna de Vries saß in diesem Raum und hat Trost in dem auf den Jahresring des Wagens scheinenden Licht gefunden, da es sie an ihren letzten Wunsch nach dem Aufgehen der Sonne erinnert hat.
Schließlich beendeten wir unseren Besuch in einem Raum, der stark an eine Kapelle erinnerte. Ein spannendes Gespräch über den Zusammenhang zwischen Theologie und dem Holocaust bahnte sich an. Und wir waren der Meinung, dass beides klar voneinander getrennt werden sollte, da es nicht die Religion der ehemaligen Inhaftierten ist und kein Grund für so etwas Schreckliches ausgemacht werden kann. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Besuch von vielen verschiedenen Eindrücken geprägt war und uns alle zum Nachdenken angeregt haben. Jedoch ist es schade, so wenig erhaltende Sachen aufzufinden, vor allem im Außengelände, denn es fehlt so die genaue Vorstellung der Geschehnisse und es ist schwer, sich in die Lage der Menschen hineinzuversetzen.
Text: Carlotta Schnieders